POINT OF VIEW: Der Boom von Vintage Fashion
Der Vormarsch von Vintage Bekleidung - und wie sich der Markt aus unserer Sicht entwickelt hat
Im November 2012 sind wir von Hamburg nach Berlin Friedrichshain gezogen, um hier unseren Onlinehandel weiter zuführen. Zu diesem Zeitpunkt lag unser Fokus auf Second Hand Bekleidung bekannter Marken und Labes, die wir ausschließlich über die Verkaufsplattform eBay als Powerseller in verschieden eBay Shops verkauften. Von unseren vorherigen Reisen nach Berlin kannten wir die alten Vintage „Klotten“ fast nur von unseren Flohmarktbesuchen auf dem Mauerpark und haben uns damals über die hohen Preise für diese Kleidung gewundert, die in Hamburg niemand auf den Flohmärkten überhaupt beachtete. Insbesondere Stiefel aus den 70er Jahren, alte Ledertaschen, aber auch Blusen und Hemden aus den 80er Jahren wurden hier in Berlin auf allen Märkten munter gehandelt und verkauft.
Im Frühjahr 2013 startete unsere erste Flohmarkt Saison in Berlin und wir haben zu dieser Zeit alle möglichen Märkte - vom Flohmarkt am Boxhagener Platz bis zu Trödelmärkten auf Baumarktparkplätzen - angeschaut. Insbesondere auf den großen Parkplatz Flohmärkten konnte Vintage Bekleidung aus Haushaltsauflösung so günstig und in guter Qualität eingekauft werden, dass wir den ersten Schritt in Richtung Vintage Sortiment wagten und die ersten 80er und 90er Jahre Blusen sich für anfangs 12 € pro Stück einen Platz in unserem Store eroberten.
Seitdem hat sich vieles getan. Vintage Bekleidung ist keine Nische mehr und hat sich einen festen Platz im Bekleidungsmarkt gesichert. Durch die begrenzte Verfügbarkeit der Kleidung hat dies einen regelrechten Boom auf bestimmte Kategorien und Marken ausgelöst. Sportswear bekannter Modemarken wie Adidas und Nike konnte man im Wholesale als Wiederverkäufer bis ins Jahr 2020 noch auf Kilopreisbasis kaufen. Heute werden original Artikel bestimmter Brands aus den 90er und 00er Jahren nur noch zu hohen Preisen pro Stück gehandelt. Und die Nachfrage ist so groß, dass es insgesamt Schwierig ist, bestimmte Marken und Produkte überhaupt noch einzukaufen. Diese Entwicklung hat sich mittlerweile in unterschiedlicher Intensität auf fast alle Produkte im Vintage Fashion Markt übertragen.
Der boomende Markt mit Altkleider hat in vielen Ländern dazu geführt, dass illegal aufgestellte Altkleidercontainer überall im Stadtbild zu finden waren und die dadurch gesammelte Kleidung dem Recycling Kreislauf auf gewisse Weise entzogen wurde. Es wurden Sammelaktionen für soziale Zwecke gestartet, die aber nie dort angekommen sind, wofür sie eigentlich gesammelt wurden.
Hinzu kommt das die begehrte Ware zur Vorsortierung heute oft in Billiglohnländer verschifft wird, um sich dann wieder auf dem Luft- oder Schiffweg zurück in die „Herkunftsländer“ zu machen, was wiederum eine negative Auswirkung auf den CO2 Fußabdruck der Kleidung hat. Insbesondere die Sortierung in asiatischen Ländern birgt für Vintage Großhändler außerdem die Gefahr, dass den großen 250 KG Ballen oft Überproduktionen aus der in den Ländern ansässigen Fast Fashion Branche zugemischt werden, diese aber nahezu unverkäuflich sind und entsorgt werden müssen. Dies beinhaltet einen finanziellen Schaden durch nicht verkaufbare Ware und die Entsorgungskosten, der sich wiederum auf die Einkaufspreise für Händler und die Endpreise für Konsumenten auswirkt. Die Kategorie Vintage Seidenblouson zum Beispiel war zwischenzeitlich so beliebt, dass der Markt schnell mit Nachproduktionen in den schönsten Farben überschwemmt wurde.
Den Style Vintage haben viele große Marken aus der Fast Fashion Branche mittlerweile erkannt und produzieren im großen Stil Pullover, Sweatshirts, Kleider und Shirts im look alike Stil. Dies mag dann Retro sein, aber ganz bestimmt kein Vintage. Für den Endkonsumenten wird es dadurch immer schwerer, original Vintage von neu produzierter Ware zu unterscheiden.
Und für viele kleinere Vintage Händler wird es immer schwieriger, die Ware zu einem attraktiven Preis einzukaufen, so dass sich Aufwand und Arbeit, den der Handel mit Einzelstücken mit sich bringt, auch wirtschaftlich lohnt. Der Großteil der kleinen Vintage Händler handelt aus Überzeugung und Passion und weniger aus großen wirtschaftlichen Aspekten.
Vintage Fashion ist ein weltweites Phänomen, ein weltweiter Markt. Und der gesamte Second Hand und Vintage Markt ist ein Wachsender Markt. Schon längst sind große Unternehmen direkt oder indirekt in das Geschäft mit eingestiegen.
Die weiter steigende Nachfrage wird den Markt in den kommenden Jahren weiter verschärfen und wir bleiben gespannt, welche Auswirkungen dies mit sich bringen wird.